
Mit der eigenen Lebenszeit richtig umgehen
Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft, Konzentriere Dich auf den gegenwärtigen Moment (Siddharta Gautama Buddha).
Ist es wirklich so schlimm die Gedanken vom «JETZT» in die Vergangenheit und die Zukunft wandern zu lassen, wie es uns häufig suggeriert wird? Ist das «Leben im «JETZT» wirklich der Schlüssel zu einem gelingenden Leben? In diesem Blogbeitrag gehe ich diesen Fragen nach.
Immer wieder werden wir von Lebensberatern, Life-Coaches und Autoren darauf hingewiesen wie wichtig es ist, im «JETZT» zu leben. Sie argumentieren im Sinne von Buddha damit, dass wir die Vergangenheit nicht mehr beeinflussen können, die Zukunft noch nicht da ist und nur im «JETZT» das wirkliche Leben stattfindet.
Ich bekomme manchmal den Eindruck, dass von einigen Beratern, Coaches und Autoren das «JETZT» dermassen vergöttert wird, dass sie «Das-Schwelgen-in-der-Vergangenheit» und «Das-Träumen-von-der-Zukunft» am liebsten zu den sieben Todsünden der Bibel beifügen möchten.
Doch ist es wirklich wahr, dass das «JETZT» für ein gelingendes Leben dermassen wichtig ist, dass wir unsere Gedanken möglichst nicht in die Vergangenheit und die Zukunft schweifen lassen sollten?
Ich glaube schon, dass diese Aussage etwas Wahres hat. Nur ist es mit der Wahrheit so eine Sache. Wie hatte schon Hermann Hesse geschrieben: «Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr.»
Bestimmt, ist das «JETZT» sehr wichtig. Aber wir Menschen haben nun mal die Möglichkeit, uns an die Vergangenheit zu erinnern und die Zukunft zu planen. Offenbar schien es in der Evolution für uns wichtig zu sein, das zu können.
Es stellt sich für mich daher die Frage, wie der richtige Umgang mit der Lebenszeit funktioniert?
Wie so häufig findet man darauf mögliche Antworten in der Lebenskunstlehre der antiken Philosophie.
Der römische Philosoph Lucius Annaeus Seneca thematisierte dies bereits 50 n. Chr. in seiner Schrift «De brevitate vitae». Die Lebenszeit der Menschen gliedert sich nach Seneca in drei Zeiten: «das, was war», «das, was ist» und «das, was sein wird». Dabei ist,
- was wir tun, kurz (denn die Gegenwart verfliegt blitzschnell),
- was wir tun werden, ungewiss und
- nur was wir getan haben gewiss.
Die Vergangenheit hat also eine wesentliche Qualität, denn nur die Vergangenheit ist gewiss und Unterliegt nicht der Willkür von jemandem. Gemäss Seneca liegt der Schatz des Lebens also in der Vergangenheit und nur dort kann er jederzeit gehoben werden.
Im modernen Leben, welches häufig von Hektik und Stress geprägt ist, geht die Vergangenheit jedoch gerne verloren, da nur noch die flüchtige Gegenwart zählt.
Seneca war jedoch der Ansicht, dass ein gelingendes Leben nicht als Zeitjunkie am Abgrund des flüchtigen «JETZT» stattfindet, sondern dass es vielmehr darum geht, ein Leben der Musse zu führen, also das Gegenteil zum modernen, geschäftig eilenden Leben. Nur der Weise herrscht gemäss Seneca letztlich über seine gesamte Lebenszeit:
- was war, hat er sich verstehend angeeignet,
- was ist, nutzt er und
- was sein wird, nimmt er vorweg.
So verschafft sich der Weise ein reiches, gelingendes Leben, indem er alle Zeiten zu einer Zeit, nämlich zu seiner Lebenszeit, vereint und sie sich damit aneignet. Der Zeitjunkie dagegen, also der, der nur gelebt wird – vergisst häufig die Vergangenheit, vernachlässigt die Gegenwart und fürchtet die Zukunft.
Für ein gelingendes Leben braucht es für Seneca also alle drei Zeiten in einem gesunden Gleichgewicht.
Die Denkansätze von Seneca wurden auch von späteren Philosophen wie beispielsweise Kierkegaard, Augustinus und Heidegger übernommen und in etwas anderen Akzentuierungen verfeinert.
Ich denke, dass es mehr Segen als Fluch ist, dass wir auch in der Vergangenheit schwelgen und von der Zukunft träumen können. Ich rate daher zur liebevollen Nachsicht mit Dir selber, wenn Du Dich dabei ertappst, wie Du wieder einmal von der Gegenwart abgeschweift bist.
Nur im «JETZT» zu leben ist für einen Menschen weder möglich noch erstrebenswert. Und trotzdem ist es sinnvoll, sich immer wieder ganz bewusst ins «JETZT» zurückzuholen und dafür zu sorgen, dass im «JETZT» Momente kreiert werden, für die es sich in der Zukunft lohnt, in Musse in der Vergangenheit zu schwelgen.
Ich bin davon überzeugt, dass dies auch die wirkliche Botschaft von Buddha war. Ein bewusstes in Musse «Schwelgen-in-Vergangenheit» – sich die eigene Vergangenheit zunutze machen und ein bewusstes «Träumen- von-der-Zukunft» – die Zukunft gedanklich vorzubereiten, ist absolut in Ordnung. Gedanklich unbewusst und planlos in der Vergangenheit oder der Zukunft herumzuirren, wird jedoch wenig zu einem gelingenden Leben beitragen.
Ja, für ein gelingendes Leben braucht es immer verschiedene Zutaten in einer fein säuberlich ausbalancierten Dosis. Radikale Ansätze (radikal, im Sinne von extrem) führen selten zu einem nachhaltig gelingenden Leben.
Regelmässige Meditation kann Dich dabei unterstützen, Deine Gedanken bewusst in die Zeit wandern zu lassen, die für Dich gerade “JETZT” wichtig und sinnvoll ist.
Hast Du Fragen zum Thema “Gelingendes Leben”? So zögere bitte nicht, mich zu kontaktieren. Ich bin gerne für Dich da.
Herzlichst
STEFAN SIDLER
Gründer und Inhaber von BORN TO BE FREE
Leave a reply
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
No Comments